Joanna beim Thelem-Verlag

Wie nach einem Marathon. Nicht immer war klar, ob es zu schaffen ist. Jetzt ist es besiegelt.
Meine „Joanna“ wird bis spätestens 30. September erscheinen!

Der 13. Februar

Der Dresdener 13. Februar kommt auf gewisse Weise in meinem Roman „Joanna“ vor. Im Kapitel „Klagelieder“

Ach! Jakże zostało samotne miasto tak ludne…

Und wieder und wieder dieser eine Satz. Mühsam versuchte ich, ihn endlich zu übersetzen.
Ach! Jakże zostało samotne miasto tak ludne. Diese ungewöhnliche Sprache. Was meinten sie mit ludne. Ich holte mein Wörterbuch aus dem Rucksack und schlug nach. Die Stadt voller Menschen, samotne – von samo, allein, also einsam. Die Stadt voller Menschen wurde einsam. Ich war mir nicht sicher und begann doch langsam zu ahnen: Irgendwoher… Irgendwoher kannte ich das. Ein berühmtes Gedicht? Ein Lied vielleicht? Dann fiel es mir ein. Das! Das war es!
Ach, wie liegt die Stadt so wüst, die doch voller Menschen war.
Und ich erschrak so sehr! Ich erschrak so sehr! Jedes Jahr hatte ich diese Motette gehört. Immer wieder. Immer wieder an dem Tag, an dem meine Stadt zerstört worden war.
Wie liegt die Stadt so wüst, die doch voller Menschen war.
Jedes Jahr. Jedes Jahr gab es das behagliche Grausen auf dem Heimweg. Kerzen in der Winternacht und die schauerliche Wucht des Geläuts aller Glocken der Stadt zur gleichen Stunde. Wie eine einzige Warnung vor dem Inferno, nur eben viel, viel, viel, viel zu spät.
Und jetzt? Und heute? Sie sangen den gleichen Text. Hier! In Warschau! An diesem 1. August! Am Tag als der Warschauer Aufstand begann. Hier sangen sie das gleiche Klagelied wie wir! Das behagliche, heimatliche Grausen zerstob … Wie konnten wir die gleichen Klagelieder singen wie sie? Wie war das möglich?

Gutes Neues Jahr, Europa!

Europabrücke

Am letzten Tag des Jahres über die Europabrücke mit dem Rad nach Polen. Auch die Oder hat sich weit über die Wiesen ausgebreitet.
Am Polnischen Ufer hat Władysław Bartoszewski mittlerweile ein Denkmal bekommen. Der große Europäer sitzt auf einer Bank, einst Auschwitz-Häftling, Żegota-Unterstützer, Kämpfer im Warschauer Aufstand, als solcher nach dem Krieg in Haft, Solidarność-Mitbegründer, als solcher wieder in Haft und polnischer Außenminister.
Daneben sitzt ein älteres polnisches Paar und trinkt Tee mit Schuss. Sie begrüßen mich. Ich frage, ob ich mich wohl neben Professor Bartoszewski auf die Bank setzen darf. Aber natürlich können Sie sich neben ihn setzen. Er war ein sehr guter Mensch. Ich weiß, sage ich.
Sie freuen sich wie die Kinder über mein
Szczęśliwego Nowego Roku!
Alles Gute fürs Neue Jahr, Europa! 🇵🇱🇪🇺🇩🇪

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Pläne

Sich auf geheimnisvolle Weise einem neuen Vorhaben nähern. Mehr kann nicht verraten werden.

Weimarer Herbst 5

Der vierte Arbeitstag begann vollkommen anders: Sonnenschein im Ilmtal. Fotopunkte waren heute Häuser von Goethe: Sein Gartenhaus, sein Borkenhaus (was er für die Frau seines Chefs gebastelt hat … Zum Theaterspielen) und sein Wohnhaus, vor dem ich mir heute durch Reisegruppen einen Weg spuren musste, wenn ich zur Brotklappe wollte. Aber im Lesesaal in Sicherheit. Sogar mein eigenes Buch mitgebracht in den Lesesaal: Goethe und das Judentum.

Weimarer Herbst 4

Der dritte Arbeitstag begann wie der zweite: Unter grauem Himmel entlang der Ilm, heute jedoch Bilder von Brücken, Bäumen und Bach. Bei Goethes aber heute nicht die Feuerwehr, sondern der Lieferwagen von Edeka. Bei dem Wetter geht der Alte nicht vor die Tür.

Endlich den schönen Lesesaal der Anna-Amalia-Bibliothek entdeckt. So riesige Fenster, dass es selbst an einem Tag wie heute hell ist

Weimarer Herbst 3

Der zweite Arbeitstag in Weimar beginnt schon routinemäßig. Fahrt entlang der Ilm. Häuser fotografieren. Zu Kaffee und Brot in die Brotklappe. Nur dass die Feuerwehr mit Blaulicht bei Goethes stand war neu.

Heute unkonzentriert in der Bibliothek. Nichts von der ruhigen Atmosphäre gestern. Neben mir tuschelte es, durchs Haus gingen Führungen. Mittags saß in der herrliche verpeilt-ruhigen Cafeteria eine Reisegruppe.
Das Verrückteste: das Buch was ich heute weiterlesen wollte, stand einfach nicht mehr im Regal. Sollte es zufällig jemand genommen haben? Oder der worst case einer Bibliothek: ich hab es gestern aus Versehen an der falschen Stelle einsortiert. Dafür hab ich anschließend das Buch gleich in der steinalten Hofmannschen Buchhandlung (gegr. 1710) gekauft, wo es im Schaufenster stand.

Weimarer Herbst – Tag 2

Ich kann zwar in den letzten Nebelfetzen an der Ilm entlangradeln (ohne Abb), aber in den Wiesen sitzen zum Schreiben, das geht nicht. Aber ein Stück köstliches Brot in der „Brotklappe“ kaufen und dann im Bücherkubus des Studienzentrums der Anna Amalia verschwinden, an ruhige Schreibtische. Das geht. Dabei u.a. „Goethe und das Judentum“ auf dem Tisch, das meine Pläne mehrfach kreuzt.

Den ersten kam Lenz mit durchs Gebirg

Heute wirklich den Weg übers Gebirg genommen, zu Oberlin nach Waldersbach, gemeinsam mit dem armen Lenz. Zumindest bestieg er kurz hinter Selestat den Wagen. So hörten wir auf dem iPhone sein Schicksal an, von dem rasch klar war, dass er ihm nicht entrinnen konnte. Er begleitete uns die steilen Kurven hinan, ließ stoppen vor Oberlins Haus, das seit heute, weil Herbst war, erst nachmittags geöffnet hatte. Aber er zeigte es uns und die Kirche und das Schulhaus gegenüber, das ihn nach kurzer Hoffnung wieder in der Einsamkeit hausen ließ und natürlich den Brunnen, in dem er seinen Wahn zu kühlen suchte. Die steilen Berghänge, die Höhenzüge, alles findet sich, nur nicht der Winterfrost an diesem spätsommerlichen Tag. Und als es bei Büchner hieß: „In diesem Zustand legte er den Weg durchs Gebirg zurück. Gegen Abend waren sie im Rheintal. Sie entfernten sich vom Gebirg, das nun wie eine tiefblaue Kristallwelle sich in das Abendrot hob … Am folgenden Morgen traf er in Straßburg ein …“, da war klar, als wir gerade den Rhein erreichten, um wieviel schneller alles ging, mit was weiß ich, hundert mal mehr Pferden.

Oberlin-Haus
Der Brunnen